In unserer heutigen Ausgabe spricht unsere Projektmanagerin Kristin Kehoe darüber, was man beachten sollte, bevor man eine Übersetzung in Auftrag gibt.
Ian:Kristin, was sollte man bedenken, bevor man eine Übersetzung beauftragt?
Kristin:Das hängt natürlich von den jeweiligen Besonderheiten eines Textes ab, aber ganz grundsätzlich sollte man sicher sein, dass der Text final ist, d.h. am Ausgangstext keine weiteren Änderungen mehr gemacht werden. Dann ist natürlich wichtig, um welche Art von Text es sich handelt und wie fach- oder branchenspezifisch die Terminologie ist. Muss der Inhalt gegebenenfalls an die Kultur des Ziellandes angepasst werden? Und schließlich ist es auch wichtig zu wissen, wann die Übersetzung benötigt wird. So kann der Übersetzungspartner die beste Vorgehensweise in Bezug auf Teams, Projektablauf und Liefertermine vorschlagen. Manchmal werden wir gebeten, 10.000 Wörter in zwei Tagen zu übersetzen, was normalerweise fünf bis sechs Tage brauchen würde. In solchen Fällen ist es wichtig, im Voraus zu planen und genau zu wissen, wann man was braucht. So kann in manchen Fällen auch das Unmögliche noch möglich gemacht werden.
Ian:Bei der Erstellung neuen Contents erfolgt die Übersetzung der Texte meist erst ganz am Ende. Sollte man vielleicht schon früher an die möglichen Anforderungen denken?
Kristin:Es hat ganz sicher Vorteile, schon früher daran zu denken und die Übersetzung als Teil der gesamten Geschäftsstrategie zu behandeln. Wenn wir beispielsweise rechtzeitig über besonders kreative Inhalte informiert werden, können wir die geeignetsten Übersetzer auswählen und, wenn nötig, spezielle Briefings mit Übersetzern und dem Kunden planen. Als Projektmanager kann ich dann auch Tipps zum optimalen Projektablauf geben, um das bestmöglichste Ergebnis zu erzielen.
Auch wenn es um spezielle Druckformate oder Webinhalte geht, wäre es gut, wenn wir vorab beratend zur Seite stehen könnten. So können wir beispielweise das DTP (Endlayout) für die übersetzten Dateien übernehmen, wenn diese gedruckt oder online gepostet werden sollen. Oft wird nur am Layout und Content in Bezug auf die Ausgangssprache gefeilt. Und man denkt nicht daran, dass es in einer anderen Sprache ganz anders aussehen kann. Wenn der übersetzte Text zum Bespiel länger ist, passt er möglicherweise gar nicht mehr in die vorgesehenen Textfelder und man müsste die Schriftgröße verringern. Dann ist er aber vielleicht schlecht zu lesen. Darüber haben wir aber schon ausführlich in unserem Post über Mehrsprachiges DTP gesprochen.
Wenn das Übersetzerteam bereits am Anfang des Prozesses involviert wird, können viele dieser Probleme vermieden werden und der Kunde kann das Layout dann schon so erstellen, dass kürzere oder längere Übersetzungen berücksichtigt werden. So sehen die Materialien dann in allen Sprachen gleich gut und professionell aus.
Die Herausforderungen, bestimmte Inhalte von einer Sprache in eine andere zu übertragen, werden oft unterschätzt. Wenn man nur einmal darüber nachdenkt, wie lange das Konzipieren einer Kampagne dauert, bekommt man vielleicht eine Ahnung. Slogans werden erstellt und wieder verworfen, Bildmaterial ausgesucht, Texte mehrmals umgeschrieben. Der Übersetzer braucht zwar nicht ebenso lange, aber er muss zumindest einen ähnlichen kreativen Prozess durchlaufen und dafür alle relevanten Informationen erhalten.
Ian:Welche Rolle spielt der Kontext bei einer Übersetzung? Und wie wichtig ist die Bereitstellung von Referenzmaterial?
Kristin:Für die Übersetzer ist es extrem wichtig, so viel Information wie möglich zu haben. Wenn sie wissen, was sie übersetzen (Produktliste, Menü einer Website, Schaltflächen, Banner?) und wofür (E-Mail, Broschüre, Website?), ist das für die Qualität des finalen Textes sehr zuträglich. Wenn es für eine Website ist, welche Seite übersetzen wir? Wenn es sich um eine Marketing-Kampagne handelt, wie sieht die E-Mail genau aus? Was ist Betreff, was CTA? Mithilfe von Bildern, Designvorlagen oder Links kann der Übersetzer den Kontext viel besser verstehen und daher auch besser übersetzen. Wenn ich zum Beispiel ein T-Shirt beschreiben soll, ist es wesentlich einfacher und auch genauer, wenn ich auf einem Bild sehen kann, wie Schnitt und Muster genau aussehen.
Ian:Das klingt logisch. Aber ich könnte mir vorstellen, dass die Wichtigkeit von Bildern oft unterschätzt wird.
Kristin:Ganz genau. Und es ist wirklich interessant, dass die Zweideutigkeit oder Ungenauigkeit eines Textes oft erst ans Licht kommt, wenn sich ein Übersetzer damit befasst und Fragen stellt. Beim ersten Lesen denkt man noch: „oh, das ist doch klar“, auf den zweiten Blick ist es das aber dann plötzlich nicht mehr. Visuelles Referenzmaterial ist also wirklich hilfreich.
Ian:Und warum ist es ratsam, eine Übersetzung nochmal im Kontext prüfen zu lassen?
Kristin:Eine Endprüfung im Kontext bedeutet, eine Übersetzung wirklich in der Umgebung und in dem Format zu prüfen, in der bzw. dem sie letztlich veröffentlicht wird. Das ist sehr hilfreich bei Druckvorlagen, also in Verbindung mit DTP, aber im Grunde immer dann, wenn der Text in einem anderen Format veröffentlicht wird als er übersetzt wurde. Die Texte für Marketing-Kampagnen erhalten wir zum Beispiel oft in Word oder Excel, d.h. den Übersetzern fehlen dann die Bilder und Links der finalen E-Mail. Im finalen Layout könnten dann noch Änderungen nötig sein, z. B., wenn ein Wort zu lang für eine Schaltfläche oder den Menüpunkt einer Website ist. Das gibt dem Ganzen sozusagen den letzten, professionellen Schliff.
Ian:Inwiefern beeinflussen die Zeit und Arbeit, die in die Erstellung des Ausgangstextes gesteckt wurden, auch die Übersetzung?
Kristin:Das ist besonders bei Transcreation bzw. kreativer Übersetzung von Bedeutung. Die Herausforderungen, bestimmte Inhalte von einer Sprache in eine andere zu übertragen, werden oft unterschätzt. Wenn man nur einmal darüber nachdenkt, wie lange das Konzipieren einer Kampagne dauert, bekommt man vielleicht eine Ahnung. Slogans werden erstellt und wieder verworfen, Bildmaterial ausgesucht, Texte mehrmals umgeschrieben. Der Übersetzer braucht zwar nicht ebenso lange, aber er muss zumindest einen ähnlichen kreativen Prozess durchlaufen und dafür alle relevanten Informationen erhalten. Ein Briefing darüber, was die Kampagne vermitteln soll, ist unerlässlich, damit die Message in die Zielsprache übertragen werden kann.
Literarischer oder beschreibender Text kann zunächst unkompliziert erscheinen, wenn sich der Übersetzer aber näher damit beschäftigt, könnte er ihn auf fünf verschiedene Weisen übersetzen. Die Entscheidung hängt dann vom Ziel der Kampagne ab. Das bedeutet, das Briefing für die Erstellung des Ausgangstextes hilft ungemein, um sich die möglichen kreativen Freiheiten nehmen zu können. Der Übersetzer kann dem Kunden auch mehrere Versionen zur Auswahl anbieten.
Ian:Übersetzer müssen also neben ihren Sprachkenntnissen auch kulturelle Unterschiede und Nuancen verstehen und umsetzen können.
Kristin:Ja, da muss man differenzieren. Bei medizinischen und juristischen Texten kommt es mehr auf das jeweilige Fachwissen an. Marketingtexte hingegen müssen nicht nur ansprechend geschrieben sein, sondern sollen auch bestimmte Gefühle und Assoziationen auslösen. Hier sind kulturelles Verständnis und Kreativität gefragt. Sprache ist etwas Lebendiges, daher sollte der Übersetzer nicht nur Muttersprachler sein, sondern möglichst auch im Land der Zielsprache leben.
Ein Engländer, der seit 25 Jahren in Deutschland lebt, ist wahrscheinlich nicht mehr auf dem neuesten Stand, was Sprachgebrauch und Umgangssprache betrifft. Je jünger die Zielgruppe, desto wichtiger wird dieser Aspekt.
Ian:Trotz guter Vorbereitung gibt es doch sicher auch noch Fragen während der Übersetzung?
Kristin:Ja, regelmäßig und für alle Arten von Text, nicht nur kreative. Und da sind wir natürlich oft auf die Hilfe des Kunden angewiesen. Ich bin immer wieder überrascht, wie kompliziert Englisch doch ist, wenn mich Übersetzer fragen, was genau etwas im englischen Ausgangstext bedeutet. Auf den ersten Blick ist die Bedeutung klar, aber wenn ich dann den Satz davor und danach lese, sehe ich plötzlich, dass man ihn unterschiedlich interpretieren kann. In solchen Fällen müssen wir dann den Kunden kontaktieren, da er natürlich weiß, was genau gesagt werden soll.
Wichtig ist auch, dass die Fragen zeitnah beantwortet werden, damit das Projekt termingerecht fertiggestellt werden kann. Manchmal ist unsere Kontaktperson nicht der richtige Ansprechpartner für die Beantwortung oder geht in den Urlaub. Daher ist es wichtig, dass wir wissen, wer sich um projektbezogene Fragen kümmern kann.
Über das Kundenportal kann man Projekte mit Kollegen teilen, wenn man in den Urlaub fährt. Oder Fragen automatisch an Kollegen weiterleiten, wenn man sie nicht selbst beantworten kann. Wichtig ist einfach zu verstehen, dass die Hilfe des Kunden oft gefragt ist und zum Gelingen eines Projekts beiträgt. Je mehr Dialog stattfinden kann, umso besser wird das Ergebnis.